Richtig trauern

Termin Ohne Datum

Wer jetzt hier eine universelle Anleitung zum Trauern erwartet, wird enttäuscht sein. Die gibt es nämlich nicht. Allerdings lohnt es sich einmal einen Blick auf das Trauern zu werfen und genauer zu untersuchen.

Wann trauern wir?

Dem Trauern geht immer ein Verlust voraus. Gedacht, antizipiert oder tatsächlich spiel dabei keine Rolle. Etwas ist nicht mehr da und fehlt. Wie hier angedeutet, kann auch der Verlust der Arbeit, von Gegenständen oder ähnliches betrauert werden, hier möchte ich mich aber auf den Tod von Lebewesen beschränken.

Der Tod kommt meist unerwartet. Wenn der Tod geplant (bei Tieren z.B.) oder erwartbar bei Schwerkranken erscheint, dann gibt es zwar etwas wie vorweggenommene Trauer, aber dies erübrigt nicht das Trauern nach dem Tod. Das beruhigende in der Trauer ist, dass wir jeden Tag mit der Geburt ein kleines Stück sterben. Wir wissen nur nicht, wie groß das tägliche Stückchen Sterben ist. Der Tod ist ein Termin ohne Datum.

Warum trauern wir?

Es ist der Verlust, das Fehlen der Begleitung. Das Lebewesen, dem wir Liebe geschenkt haben, ist nicht mehr da. Oft ist es auch das Gefühl der Einsamkeit und Leere, das uns geradezu überfällt.

Trauern bringt uns auch mit der eigenen Sterblichkeit in Kontakt, die wir so erfolgreich aus dem Leben verbannt haben. Alte und kranke Menschen befinden sich nicht mehr in den Familien, sondern werden in Altenheimen versorgt, Tote werden nicht mehr zu Hause aufgebahrt… Der Tod scheint in der heutigen Zeit bedrohlich zu sein, dabei ist er das Natürlichste der Welt. Alles verändert sich, nichts bleibt bestehen. Auch wir werden sterben und vergehen.

Wie trauern wir?

Das Vermissen kommt und geht in Wellen, Tränen kommen und gehen. Wut, Scham, Schuld, Verzweiflung, freudige Erinnerungen wechseln mit Trauer und Tränen. Die aufkommenden Gefühle sind vielfältig und individuell.

Wie wir trauern hängt stark von der Art der Bindung ab, die zum verstorbenen Lebewesen bestanden hat. War die Verbindung nahezu symbiotisch, dann ist das Alleinsein kaum zu ertragen. Bestand nur eine lose Verbindung, ist die Intensität der Trauer auch geringer.

Allerdings hängt die Art wie wir trauern auch von unseren Glaubenssätzen und Vorstellungen ab. Wenn nach dem Tod das Paradies wartet, dann können wir uns darüber freuen, wenn wir daran glauben.

Gedanken und Gefühle wechseln. Einen generellen Ablauf gibt es nicht. Auch wenn etwas abgearbeitet scheint, so taucht es später oft wieder auf. Trauer verläuft in Spiralen.

Bei Selbsttötungen treten auch Unverständnis (Warum?), Selbstzweifel (Habe ich nicht genau genug hingesehen?), Wut (Warum hast Du mich verlassen? Wie konntest Du das tun?) und ähnliche intensiven Gefühle auf. Vielleicht hilft da auch der Blickwechsel: Jeder hat das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, das beinhaltet auch einen selbstbestimmten Tod.

Wie sehr habe ich es in der Kindertrauergruppe genossen, die jungen Menschen begleiten zu dürfen. Kinder trauern anders. Spontan tauchen sie in die Trauer ein und im nächsten Augenblick sind sie wieder fröhlich. Pfützentrauer. Erwachsenen sind da weniger flexibel. Was haben wir alles verlernt…

Trost?

Das Bedürfnis nach Trost und Mitgefühl ist sehr unterschiedlich. Oft wird die Floskel „Mein Beileid“ verwendet. Als Trauernder wünscht man sich allerdings nicht, dass seine Mitmenschen mitleiden. Gefragt ist eine Begleitung mit Mitgefühl. „Ich fühle deine Trauer, sehe dich, bin bei dir, wenn du mich brauchst, halte dich, wenn du fällst, helfe ich dir beim aufstehen. Du bist so, wie du bist, willkommen.“ Das hilft.

Manchmal möchten Mitmenschen die trauernde Person trösten, weil sie selbst nicht mit diesem Gefühl umgehen können, es lieber weghaben wollen. Trauernde spüren dies und fühlen sich nicht angenommen, so wie sie gerade sind. Es ist hilfreich, zu fragen, was gebraucht wird: „Soll ich Dich in den Arm nehmen?“, „Möchtest Du zum Mittagessen vorbeikommen?“, „Kann ich dich bei der Bewältigung der Formalitäten unterstützen?“… Damit ist die trauernde Person immer Mensch der Lage und erlangt wieder einen Teil der Selbstwirksamkeit zurück, denn der Tod macht auch hilflos.

Manchmal hilft auch der Gedanke, dass die Trauer ein Kompliment an die verstorbene Person ist. Sie war wertvoll, besonders, liebenswert, sie fehlt.

Wie überwindet man Trauer?

Vielleicht ist das die falsche Frage. Der Mit-Mensch oder das Lebewesen wird nie wieder da sein, aber die Erinnerungen werden bleiben.

Alles Gefühle und Gedanken beobachten, akzeptieren und alles so sein lassen, wie es gerade ist. Nichts bleibt, wie es ist. Alles verändert sich, auch die Trauer.

„Werde ich jemals wieder glücklich sein?“ Das ist eine Frage, die oft am Anfang der Trauer steht. Das Glück ist aber nicht am Ende des Tunnels, sondern genau JETZT und HIER… vielleicht das Lesen des Textes, das Lächeln eines Mitmenschen, ein Gespräch… es lohnt sich, die Augen für die wunderschönen Augenblicke offen zu halten, auch wenn die Tränen über die Wangen fließen. Ich mag dieses Gefühl, die Wärme, die Wertschätzung, die in jeder Träne liegt… nicht sofort wegwischen… und wenn die Schminke zerlaufen ist… ein Blick in den Spiegel und die ungewollte Kriegsbemalung mit einem Schmunzeln bewundern…

Das Leben findet weiter statt. Irgendwann wird das Teilnehmen auch unbeschwerter wieder möglich sein. Es dauert… es braucht Zeit. Das Fehlen muss integriert werden, vieles muss neu oder erst einmal gelernt werden, z.B. was bislang übernommen wurde.

Wie lange dauert die Trauer?

Das ist sehr unterschiedlich, hängt von der Bindung, den Glaubensvorstellungen und Konzepten des Trauernden ab. Nur nicht unter Druck setzen (lassen). Jeder hat seine eigene Geschwindigkeit bei der Verarbeitung von neuen Situationen.

Mit Geduld und Freundlichkeit für sich selbst wird es gehen. Jeden Tag einen Schritt weiter. Nicht so weit nach vorn schauen. Trauern ist anstrengend. Es braucht viel Erholung. Ich darf mir erlauben, mir zu erlauben, so zu trauern, wie es für mich passend ist…

… und irgendwann geht es…

Täglich Ohne Dich.

P.S. Wenn ein Gespräch gewünscht ist, dann nehmen Sie gern Kontakt mit mir auf.

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